Wahres Leben im Geist

03.05.2023 12:25
avatar  Gaby
#1
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Hallo Ihr Lieben,

meine Frage waere - ob es sich bei dem Geist, oder auch der lebendigen Mitte (auf die man sich beziehen soll in der wahren Gemeinde) um etwas Selbstaendiges, um ein eigenstaendiges Bewusstsein handelt? Etwas oder Jemand, das/der selbst aktiv ist? Und ist das Gelingen der Beziehung (oder womoeglich des Lebens) dann von ihm abhaengig? Was wuerde das bedeuten in Bezug auf das erwaehnte Schicksal?

Durch ein paar Textstellen bin ich zu dieser Frage gekommen.
Zum Beispiel:
- „…-so war es gemeint in der Stunde des Geistes, als er sich dem Menschen antat und die Antwort in ihm erzeugte -…“ (IuD leider ohne DP :-) S. 46)
- (wie im Geist gelebt wird / die Duwelt) „… es steht nicht bereit, es kommt immerdar auf sie zu und ruehrt sie an.“ (ebd. S. 48)
- was ist die LEBENDIGE Mitte zu der man in Beziehung stehen soll? „Die Gemeinde baut sich aus der lebendig gegenseitigen Beziehung auf, aber der Baumeister ist die lebendig wirkende Mitte.“ (S. 51)
- oder bei der wahren Ehe: „ Daraus baut das Du, das keinem von beiden Ich ist, die Ehe auf.“ (S. 51)
- dann schliesslich bzgl. des wahren oeffentlichen und persoenlichen Lebens: „… beide zusammengetan schaffen das menschliche Leben noch nicht, sondern das dritte schafft es, die zentrale Gegenwart des Du, vielmehr…das … zentrale Du.“ (S. 52)
- die „Suprematie des dusagenden Geistes“ (S. 55)

Wenn ohne die Zustimmung / den „Segen“ des Geistes kein wahres Leben moeglich ist - letztes Mal wurde ja auch gesagt, scheinbar muss etwas von oben hinzukommen - wenn es also ohne das nicht geht, sind wir dann nicht fremdbestimmt oder zumindest abhaengig vom „dusagenden Geist“? Wuerde das nicht den landlaeufigen Schicksalsglauben vieler Menschen bestaetigen? (Schicksal im buberschen Sinn - als Ergaenzung zur Freiheit - hab ich noch nicht ganz
durchschaut, wie ich auch den Begriff der Freiheit noch nicht recht mit Leben fuellen kann…)

Soweit erstmal. Liebe Gruesse an alle :)


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07.05.2023 09:01
avatar  Peter
#2
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Ihr Lieben,

so gut es geht, will ich auf die Überlegungen von Euch, Esther und Gabi, eingehen und versuchen, sie in meiner Weise fortzuführen. Esther, Du weist ja zurecht darauf hin, dass uns, nach Buber, Sprache, dh „eigentliches“ Sprechen, Sprechen „im Geist“, begegnet, uns widerfährt, sich uns gibt. Und Du grenzt solches Sprechen vom ich-süchtigen Sprechen ab. Das könnte aber nun so falsch verstanden werden, dass, wenn ich vom Geist, von mir aus von der „Erleuchtung“ (ich mag den Begriff nicht) noch ein gut Stück entfernt bin (und zwar ein eher größeres Stück, möchte ich meinen), dann immer nur von Egoismus, Vorurteil usw. geprägtes Sprechen hervorbringe. Oder, noch zugespitzter, ich traue mich dann kaum zu reden, weil ich ja doch von meinem Ego dominiert bin und dies alles kontaminiert, was von mir, eben auch in Form von Sprache, ausgeht. Das könnte also, im schlimmsten Fall, dazu führen, dass ich mich gar nicht mehr äußere, weil ich ja doch nur von mir rede. Zumal auch Sprache nicht einfach ein geistgeprägtes Mittel ist, das sich mir bereitwillig anbietet, sondern unabdingbar immer nach dem Schema Subjekt – Prädikat – Objekt funktioniert, d.h. ein weltunterwerfendes Herangehen, Klassifizieren, Sortieren der Objekte durch das (sprechende und handelnde) Subjekt ist. „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“, so hat Wittgenstein 1918 behauptet, also 5 Jahre, praktisch gleichzeitig, vor Bubers IuD.

Deshalb meine ich, dass Sprechen, Sich-(Ent)Äußern auch ein Versuch sein kann, diesem Zwangsraster, dieser Eigenwelt zu entkommen und im vorläufigen Umschreiben dessen, was ich „eigentlich“ sagen will und doch nicht so recht kann, den, wie Buber sagen würde, lebendigen Geist umkreise in der Hoffnung, dass er mir zur Hilfe kommen möge. Das kann dann auch in der Form des Stammelns, des abgebrochenen und widersprüchlichen Redens sein. Ich denke da an meine Erfahrung, dass ich manchmal, etwa unter Freunden in einer Unterhaltung, einer Erkenntnis auf der Spur bin und spontan zu reden beginne und sich mir dabei im Reden selbst der Gedanke immer klarer darstellt und dann auch ausgesprochen werden kann, jedenfalls so in etwa. Manchmal verheddere ich mich dann auch oder verliere den Faden. - Kleist hat von der „allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Schreiben“ gesprochen (und schreiben tue ich ja hier), was natürlich genauso und umso mehr fürs tastende, suchende Sprechen gilt. Will sagen, ich muss das tun ohne Netz und doppelten Boden, mit den Risiko des Scheiterns, weil Sprache (und, noch abstrakter, auch Schrift) unsere hervorragenden Verständigungsmittel sind – in der Hoffnung, dass uns, je weniger ichsüchtig umso eher, der „Geist“ zu Hilfe komme.

Gabi, Du hast dann ja die Frage aufgeworfen, inwiefern wir nicht abhängig, gar fremdbestimmt sind vom „dusagenden Geist“, wenn ohne ihn das wahre Leben, die wahre Beziehung nicht möglich sei. Ja, würde ich sagen, sind wir, aber wenn Du etwa den von Dir zitierten Satz „Daraus baut das Du, das keinem von beiden Ich ist, die Ehe auf“ nimmst, kannst Du auch den vorhergehenden Satz dazunehmen: „woraus allzeit die wahre Ehe entsteht: daß zwei Menschen einander das Du offenbaren“. Das heißt, uns kommt eine aktive Rolle zu, wir sind nicht passiv dazu verdammt, auf den Blitzschlag von oben zu hoffen. Und wir müssen was dazu tun, wie Hape Kerkeling schon wußte: „Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit!“ Buber, um wieder ernst zu werden, grenzt ja auch das Faktum der Liebe streng von den bloßen Liebesgefühlen, die schön und notwendig, aber nicht ausreichend sind, ab.

Wenn ich überhaupt manchmal einen Wunsch an Buber hätte, der seine Philosophie, seine Spiritualität streng vom Verhältnis dieser 3 Personalpronomina Ich-Du-Es aus entwickelt, so wäre es das, dass er das „Wir“ noch in diesen Horizont aufgenommen hätte.

Ich sehe also bei Buber keine Schicksalsgläubigkeit, keine Hoffnungslosigkeit, so dringlich er die „Umkehr“ (mehrmals wiederholt) fordert, den „Durchbruch“, und dazu ermuntert, sich nicht an die Spielregeln (etwa eines Brettspiels) zu halten oder sie bloß zu modifizieren: „der Umkehrende wirft die Figuren um“. Und es gibt sogar sowas wie Hoffnung, dass uns das nicht immer nur ganz punktuell, schnell vorübergehend, fragmentarisch gelingen möge. Später, im 3. Teil (DuP S. 102) spricht er sogar vom „Kontinuum der Duwelt: die isolierten Momente der Beziehungen verbinden sich zu einem Weltleben der Verbundenheit.“ Also, dafür lohnt es sich doch, alle Anstrengungen auf sich zu nehmen!

Und Gabi, Deine Frage, ob die „lebendige Mitte“ etwas oder jemand ist, ein eigenständiges Bewusstsein, das selbst aktiv ist, würde ich also verneinen: ein Bewusstsein ist an eine Person gebunden. Ich kann deshalb auch mit dem personalen Gottesbegriff nichts anfangen -: aber „etwas“, ja, das wohl, etwas, das wir nicht näher fassen, nur umschreiben können, etwas Aktives, von dem auch wir ein Teil sind und in das wir – hoffentlich – wieder eingehen. So sehe – oder hoffe – ich das zumindest.

Esther, Du hast ja darauf verwiesen, dass es das Ziel von Kontemplation oder Meditation sei, einfach in der unmittelbaren Präsenz zu verharren, im „vorzunglichen Wort“, wie Buber sagen würde. Ich könnte mir vorstellen, analog zum entsprechenden Schweigen vor unseren Besprechungen auch danach noch eine halbe Stunde, sozusagen im „nachzunglichen Wort“ zu verbleiben und das Gesprochene nachwirken zu lassen.

Entschuldigt, dass ich so weit ausgeholt habe, aber ich hoffe, ich habe wenigstens im Ansatz das getroffen, was ich meinte!
Ganz herzliche Grüße
Peter


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09.05.2023 20:00
avatar  Esther ( Gast )
#3
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Esther ( Gast )

Danke, liebe Gabi, lieber Peter.

Das geht ans Eingemachte. Da ich gar keine fertigen Antworten geben möchte, werde ich einfach mal den Avocatos Diavolo spielen:
Was, wenn mit Geist gar nicht etwas gemeint ist, das von oben und außen hinzukommen würde und uns zur Hilfe eilte? Wenn nichts weiter gemeint wäre, als das lebendige Geschehen zwischen uns?
Und wenn wir dem nachspüren würden, was es heißt, im Geist zu leben? Schlüssel ist das Wörtchen IM.

Was, wenn das, was unmittelbar zwischen uns - in der Mitte von Ich und Du –geschieht, was sich ereignet, uns widerfährt, sich uns antut usw. und wir uns „ohne Netz und doppelten Boden“ (wie Du Peter, sehr schön sagst) darauf einlassen, nicht Fremdbestimmung, sondern unsere eigentliche Freiheit wäre?
Über den Zusammenhang von Freiheit und Schicksal sprechen wir aber erst das nächste Mal.

Und vielleicht lässt sich auch im bisher erarbeiteten Text schon ein wenig der Antwort auf die Frage nach dem „Wir“ näher kommen? Und zwar indem wir recht verstehen, was für Buber „Ich-Du“ bedeutet?

(Ich bin übrigens dafür, dass wir hier, im Forum, nicht im Lektüre-Text vorgreifen, sondern uns nur auf das beziehen, was wir bisher erarbeitet haben.)

Liebe Grüße
Eure Esther


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